Anatomy of a Fall (2023) – Was ist Wahrheit?
Was ist die Wahrheit? Eine Frage, mit der sich schon viele Filme beschäftigt haben. Unter anderem Filme wie „Close-Up“ oder „Rashomon“ legen nahe, dass so etwas wie eine objektive Wahrheit nicht existiert. Ähnlich gelagert ist hier auch der diesjährige Gewinner der goldenen Palme „Anatomy of a Fall“. Der Mann der Autorin Sandra Voyter stirbt bei einem Sturz aus dem Fenster, schnell gerät Sandra selbst in Verdacht etwas mit dem Sturz zutun zu haben. Einziger Zeuge ist ihr fasst vollständig blinder Sohn, der sich aber unsicher über die Situation ist. In vielen Close-Ups und sehr ruhiger Kameraarbeit wird im Verlauf des Films der Gerichtsprozess geschildert, der durch diesen Stil viel an Authentizität gewinnt. Durch die oft sehr langen Nahaufnahmen kann sich vor allem Sandra Hüller als Sandra Voyter voll entfalten und spielt fantastisch. Außerdem lernt man die Familiengeschichte erst durch den Gerichtsprozess kennen und der Zuschauer weiß nicht viel mehr als die Richter. Die so gewonnene Objektivität lässt viel offen und man ist oft hin und hergerissen, ob Sandra nun Täter oder Opfer des Prozesses ist. Durch diese Offenheit legt der Film aber nahe, dass es eigentlich weniger darum geht wie es passiert ist und wer es war, als dass es darum geht wie es dazu gekommen ist. Somit ist „Anatomy of a Fall“ in erster Linie eine wirklich Starke Charakterstudie, in der der Zuschauer selbst der Richter sein muss. Die objektive Wahrheit liegt eben oft im verborgenen und muss zwangsläufig durch eine subjektive Wahrheit ergänzt werden. Auch wenn man sich so nie sicher sein kann, muss man sich dennoch für eine Wahrheit entscheiden, die die eigene Wahrnehmung bestimmt.
Punkte: 8/10