Capernaum (2018) – Stadt des Leidens
Nadine Labakis Geschichte über das Leben (oder eher Überleben) des etwa 12 jährigen Jungen Zain in der Stadt Beirut ist eine schwer erträgliche Seherfahrung – im „guten“ wie im schlechten Sinne.
„Capernaum“ startet mit einem Gerichtsprozess, der wie ein Schatten über den gesamten Ereignissen des Films liegt: Zain ist aufgrund eines Mordes im Gefängnis, Angeklagte sind aber hier seine Eltern. Zain verklagt sie ihn zur Welt gebracht zu haben. Es ist so ein äußerst effektiver Schlag in die Magengrube, mit dem der Film startet. Von da an wird Zains Geschichte, über die Zwangsheirat seiner 11 Jährigen Schwester und sein Überleben in der Stadt, nachdem er von zuhause weggelaufen ist, erzählt.
Als niederschmetterndes Porträt einer Eltern-Kind Beziehung, das letztendlich in dem Resümee endet, nur Kinder das Leben zu schenken, wenn die Eltern auch in der Lage sind sich um diese zu kümmern, funktioniert „Capernaum“ relativ gut. Vor allem die Kinderperformance von Zain Al Rafeea trägt den Film, auch sonst sind die Schauspielleistungen durch die Bank weg stark.
Nach etwa einer halben Stunde merkt man der Geschichte aber schnell die aufkeimenden Probleme an, die in einer so nihilistischen Darstellung des Aufwachsens lauern. Was den Film auf negative Weise anstrengend macht ist, dass Labaki keine Gegenbalance zu dem unsäglichen Leid von Zains Kindheit findet. Zain selbst bleibt ein Charakter ohne Entwicklung, dessen letztendliche Tat eigentlich unabhängig von seinem filmischen Werdegang passieren könnte und das macht „Capernaum“ zu einer reinen Ansammlung von Ereignissen, ohne wahrhaftiges Gewicht. Nie fokussiert sich der Film auf auch nur irgendeine interessante Thematik oder generell tiefgreifendere Fragestellung, sondern bleibt bei einem simplen Porträt des Aufwachsens. Zains Eltern werden den ganzen Film über als äußerst negative Figuren etabliert, womit ich grundsätzlich kein Problem habe, „Capernaum“ bietet aber nichteinmal Ansätze um sie in irgendeiner Weise verständlich zu machen. Er verfällt in simple Bilder von Charakteren, die nur für einen einzigen Zweck etabliert werden, ohne je den Ursprung für das Leid oder die Politik dahinter zu ergründen.
Das Ende ist dann noch ein erzwungener Abschlussmonolog, der allen Zuschauern, die es bisher noch nicht verstanden haben, die Message des Films aufdrückt. „Capernaum“ ist dermaßen simpel, dass er nur in minimalen Teilstücken funktioniert, die einen bewegenden Ansatz schaffen, der aber nie Tiefer ergründet wird. Letztendlich bleibt der Film nur eine endlose Ansammlung an Leid, ohne Entwicklungen und ohne Aussage, die nicht rein oberflächlich wäre.
Punkte: 5/10