Peeping Tom (1960) – Film als Mord, Kamera als Mordwaffe
„Peeping Tom“ ist einer von vielen Thrillern, die augenscheinlich vom „Master of Suspense“ höchstpersönlich inspiriert wurden. Ihn als schlichte Kopie abzustempeln wäre aber ohne Frage falsch, denn der Film ist ein seltener Fall eines perfekt strukturierten Thrillers. Hitchcock selbst hätte den Film nicht besser umsetzen können. Wie bei seiner Idee von Spannung wird dem Zuschauer hier mehr offenbart als den (meisten) Figuren des Films.
Hauptcharakter ist Mark: ein schüchterner Mann, der in einem Filmstudio und als Fotograf für Erotikbilder arbeitet. Was aber nur der Zuschauer weiß: nachts tötet er Frauen und nimmt ihren Tot mit einer Handkamera auf, um daraus einen Dokumentarfilm über wahre Angst zu drehen.
„Peeping Tom“ mag die vierte Wand nicht brechen, er ritzt sie aber schon behutsam mit einem Messer an. Denn er hinterfragt nicht nur den Film selbst, sondern auch die Beziehung des Zuschauers zu besagtem Film. Im Kern versucht Mark das zu erreichen, wovon auch jeder andere Regisseur träumt: die wahre Natur eines Subjekts einzufangen bzw. aufzufassen. Nur ist ihm die Fiktion eben nicht genug und so versucht er diese Wahrheit unter realen Umständen zu rekonstruieren. Gleichermaßen hinterfragt „Peeping Tom“ aber eben auch ab welchem Punkt das Interesse des Zuschauers zu Lüsternheit umschwingt. Ab welchem Punkt das Interesse an Gewalt und Mord zu einer Art Sucht oder verwerflicher Passivität wird.
„Peeping Tom“ enthält so grundsätzlich die größte Gefahr, als auch größte Stärke des Kinos: die Faszination einer nicht greifbaren Welt, die aber so nah zu sein scheint.
Michael Powell stellt dabei unter Beweis, dass er auch ohne seinen langjährigen Regiepartner Emeric Pressburger zu Großem fähig ist. Wie die größten Filme, die die beiden zusammen gemacht haben ist auch „Peeping Tom“ ein Film von wunderschönem Set-Design. Wie detailverliebt quasi jede Szene ist, macht ihren visuellen Stil teilweise aus und das schätze ich sehr. Powell beweist dabei aber nicht nur im Set-Design ein Auge für Details, sondern auch in minimalen Gesten, die vermutlich auch dem großartigen Drehbuch geschuldet sind. Hier kommt es beispielsweise vor, dass Figuren noch einmal nachfragen, was ihr Gesprächspartner gesagt hat und das wirkt nicht nur zutiefst realistisch, sondern enthüllt auch immer auf sehr subtile Weise die Unsicherheiten der Charaktere.
Dabei ist zudem besonders Karlheinz Böhms Perfromance als Karl hervorzuheben, der ihn nie als einseitigen Psychopathen verkörpert, sondern als Mann mit vielen Facetten und Seiten, von denen nicht alle negativ sein müssen. Er erreicht die grandiose Meisterleistung, dass man zwischenzeitlich sogar Mitleid mit ihm hat.
Es gibt ein einziges Detail, das den Film davor zurückhält noch besser zu sein und das sind die Performances der Opfer von Mark. Zugegebenermaßen spielen alle nicht schlecht, dafür dass er aber mit seinen Morden versucht wahre Angst aufzuzeichnen, wirken einige Schreie dann doch zu gekünstelt und filmisch.
Vielleicht ist das aber auch gut so, denn sonst wäre „Peeping Tom“ genau zu der psychopatischen Vision geworden, die Mark versucht einzufangen und die Frage zurücklässt, inwieweit das bloße Zuschauen in einem solchen Kontext noch moralisch vertretbar ist.
Punkte: 9/10