Doomed Love (1978) – die Fusion aus Wort und Leben
Manoel de Oliveiras Adaption „Amor de Perdição“ (oder „Doomed Love“) des gleichnamigen Romans ist etwas ganz besonderes. Anstatt das literarische Werk in das visuelle Medium des Films zu übertragen, schafft er mehr eine Fusion beider Kunstformen, die sich so wie eine vollendete Version des Urspungsstoffes anfühlt (ohne den Roman gelesen zu haben).
Generell erzählt „Doomed Love“ eine eher klassische Geschichte über, oh Wunder, zum scheitern verurteile Liebe. Ähnlich wie in „Romeo and Juliet“ verliebt sich Simão in die Tochter eines von seinem Vater verhassten Hauses namens Teresa. Beide ihrer Väter wollen ihre Heirat unter allen Umständen verhindern, selbst Kontakt verbieten sie den Beiden. Und so gehen beide getrennt voneinander einen Weg der inneren Qual, wissentlich, dass sie vermutlich nie glücklich vereint sein können.
Thematisch bietet „Doomed Love“ so nicht unbedingt viel neues, es ist aber eben die Weise in der Oliveira die Geschichte erzählt, worauf es ankommt. Er behält den auktorialen Erzähler des Romans und die inneren Monologe, die hier von den Figuren selbst in die Kamera gesprochen werden, bei. Er ersetzt so nicht die literarische Vision mit einer visuellen Version, sondern ergänzt vielmehr diese Wortebene unterstützend mit Bildern.
Man könnte Literatur als die Kunst der Imagination bezeichnen, da man die Schablone, die die Worte bilden, mit eigens kreierten Bildern füllen muss und Oliveira tut quasi genau das: er legt dem Zuschauer sein Kopfkino des Romans dar. Er gibt so der Geschichte eine eigene Perspektive, die aber nie zu aufgedrückt wirkt. Denn es bleiben Passagen, die bloß erzählt werden oder denen das Gesamtbild fehlt. Aber genau das sind die Teile, in denen Oliveira die literarische Struktur eigentlich in Gänze beibehält.
In Hinblick auf diese Geschichte wirkt das besonders genial, wenn man berücksichtigt, dass Simão und Teresa nicht in einer einzigen Szene den gleichen Raum Teilen. Sie kommunizieren lediglich über Briefe oder anders gesagt: über Worte. Sie Teilen ihr Leben nur durch das imaginäre Bild, das sie durch die Schilderungen des jeweils anderen voneinander haben. Und Oliveira tut eigentlich ähnliches. Er verleiht ihnen eine gemeinsame Welt, die er aus der Erzählung ihrer Erzählungen erschafft.
Es gibt nur eine einzige Ebene, in der „Doomed Love“ nicht ganz die perfekte Harmonie dieser beiden Aspekte erreicht: die Schauspieler. Diese sind zwar nicht unbedingt schlecht, bewerfen sich aber meist mit eher ausdruckslosen Monologen bzw. Dialogen, was der Geschichte teilweise ihre Emotionalität nimmt.
Dafür ist das Set-Design fantastisch, wirkt zwar artifiziell, soll es aber auch. Handgemalte Hintergründe und ähnliche Charakteristika verleihen dem Film genau die künstlich künstlerische Atmosphäre der Imagination, die Oliveira erreichen will.
Für ein viereinhalbstündiges Werk hat sich „Doomed Love“ keine Sekunde gezogen. Oliveira kreiert hier eine Fusion aus Leben und Erzählung, die genauso sehr einer Disharmonie gleicht, wie die trostlose Existenz der beiden Liebenden, die nur in der Dimension der Worte wahrhaftig leben können.
Punkte: 9/10