Taipei Story (1985) – die Last der Vergangenheit und der Blick in die Zukunft
„Taipei Story“ ist die Kollaboration zweier taiwanesischer Legenden: Edward Yang und Hou Hsiao-hsien (der das Drehbuch geschrieben hat und eine der beiden Hauptrollen verkörpert). Zu diesem Zeitpunkt waren die Beiden natürlich noch nicht auf den Höhepunkt ihrer Karriere angekommen, der für Hsiao-hsien ein- und für Yang zwei Jahrzehnte später kam, dennoch kann aber aus einer derartigen Zusammenarbeit nur etwas Gutes entstehen.
Man merkt interessanterweise ganz klar Hsiao-hsiens Handschrift, kombiniert mit Elementen, die Yangs Stil gleichkommen. Während Yang oftmals ein großes Gesamtbild zeichnet, fokussiert sich Hsiao-hsien in seiner Darstellung des Lebens meist auf einen thematischen Einzelaspekt – und das ist auch bei „Taipei Story“ der Fall.
Der Film folgt Figuren, die versuchen in die Zukunft zu blicken, gleichzeitig aber von der Vergangenheit zurückgehalten werden in genau jene zu schreiten. Fokus sind Chin und ihr Freund Lung. Chin kommt aus einer traditionellen Familie, in der die Frau eine ganz klare Stellung als Hausfrau hat und genau von dieser Prägung versucht sie zu entkommen. Deswegen begibt sie sich in die Großstadt; ein Ort, an dem die Individualität zwar immer weiter verloren geht, das scheint aber Chins einzige Hoffnung auf ein emanzipiertes Leben zu sein. Ihr Freund Lung wiederum wünscht sich nichts mehr als die Vergangenheit, seine glorreiche Jugendzeit, zurück. Er war erfolgreicher Baseballspieler und er hängt immer noch an dem Verein, für den er einst spielte. Dies hindert ihn daran, einen neuen Weg einzugehen.
Nicht nur kollidieren diese beiden Sichtweisen auf die Vergangenheit auf sehr interessante Weise, „Taipei Story“ nutzt dieses Setting auch, um die wirre Situation Taiwans, mit dem Wandel von japanischer- zu chinesischer Regierung, darzustellen. Er porträtiert ein uneiniges, gebrochenes Volk, das entweder nicht in die Zukunft schauen will oder gar nicht weiß, wo die Zukunft in all dem Chaos liegen soll. Yang und Hsiao-hsien stellen so letztendlich dar, wie man für einen Schritt in die Zukunft gleichzeitig einen Teil seiner selbst zurücklassen muss – und das fällt einigen Personen leichter als anderen.
„Taipei Story“ kann nicht ganz an die Strahlkraft und Komplexität von Yangs und Hsiao-hsiens Meisterwerken heranreichen, man kann aber auch einfach nicht jeden ihrer Filme an den größten Meisterwerken des modernen Kinos wie „Yi Yi“ oder „Flowers of Shanghai“ messen.
Wie der Rauch eines inneren Feuers, das längst erloschen ist, verfliegt die Vergangenheit im Wind der Zukunft, nach dem die Figuren ihr Segel versuchen zu richten. Nur in welche Richtung weht dieser Wind? Das ist die Frage, die Taiwan und so ihre Bewohner orientierungslos werden lässt. Dies illustriert „Taipei Story“ auf simple, aber äußerst gelungene Weise.
Punkte: 8/10