My Darling Clementine (1946) – im Westen nichts Neues, außer Rache
John Fords Faszination mit dem rauen Pflaster des Westens und den Helden, die als moralische Gegenbalance zu dieser unmoralischen Welt fungieren, findet in „My Darling Clementine“ vielleicht seinen Höhepunkt. Denn auch wenn er es unter der Fassade der Rechtschaffenheit verbergen mag, ist selbst der Held Wyatt Earp von der Rache an den Mördern seines Bruders angetrieben.
Wyatt nimmt die Stellung des Sheriffs in Tombstone nur aufgrund besagtem Mordes an seinem Bruder an. Aber: er ist dennoch ein moralischer Mann, dessen Ambtionen schnell dazu überschwingen, die Stadt von der Kriminalität zu befreien. Sein Gegenstück bildet der abgebrühte ‚Doc‘ Holliday, dessen hilfsbereite Natur seines Berufs schon lange von der rauen Stadt übereschattet wurde.
„My Darling Clementine“ ist geschichtlich ein eher simpler Western im langen Katalog John Fords. Entgegen des trostlosen Hintergrunds der leeren Prärie entfaltet sich ein shakespearisches Spiel der Rache, das aber im selben Atemzug mit der Herstellung des Rechts geschieht. Ford ist dabei vor allem am Preis dieser beiden Aspekte interessiert und generell was sie aus den Figuren im Verlauf der Handlung machen. Dabei sind die Rollenbilder relativ simpel verteilt, mit dem moralischen Revolverhelden, dem rauen, aber gutherzigen Mitstreiter und natürlich dem Love Interest (die titelgebende Clementine, die aber eine relativ kleine Rolle einnimmt). Wie zuvor erwähnt biegt Ford diese Bilder in eine etwas komplexere Richtung, indem beispielsweise Wyatt durch Rache angetrieben ist, er durchbricht sie aber auch nie vollständig. Die Handlung ist so einfach vorhersehbar und aus heutiger Sicht nichts wirklich besonderes.
Was „My Darling Clementine“ aber im Kern ausmacht sind die wunderschönen Bilder und die großartige Beleuchtung, die simple Kulissen zu einem großartigen Zusammenspiel aus Licht und Schatten werden lassen. Wenn John Holliday beispielsweise in der Bar der Stadt langsam von der Kamera wegläuft und der Rauch von Zigaretten seine Silhoutte in einen mystischen Nebel hüllt, dann hebt Ford diese Szene allein durch visuelle Elemente auf eine ganz andere Ebene.
„My Darling Clementine“ ist definitiv nicht so facettenreich und meisterhaft wie „The Searchers“, findet aber vor allem in seiner Visualität immer wieder poetische Momente, die Fords Stil sowieso ausmachen. Für den Western als gesamtes Genre war der Film ohne Frage prägend und das zurecht.
Punkte: 8/10