Inside Out 2 (2024) – die Grenzen des Verstandes sind näher als ich dachte
Pixar ist ein besonderes Studio. Über Jahrzehnte lang brachten sie konstant Filme heraus, die die Massen begeisterten. Ihre großen Werke, darunter „Up“, „Wall E“ und natürlich „Inside Out“, zeichnen sich vor allem durch ihre schier unbegrenzte Kreativität aus. Irgendwie schaffte es das Studio gleichzeitig jung als auch alt anzusprechen, gleichzeitig ein Werk fulminanter Unterhaltung, als auch tiefgreifender Thematik zu schaffen. Seit einigen Jahren allerdings scheint sich Pixar eher auf dem absteigenden Ast zu befinden. Filme wie „Elemental“ sind lange nicht mehr so einzigartig wie die frühen Meisterwerke, an denen das Studio zwangsweise gemessen wird und selbst die besseren Filme wie „Soul“ scheinen der alten Formel strikter zu folgen, als dass sie etwas gänzlich neues kreieren. Die große Hoffnung, das Studio könne wieder an seine einstigen Erfolge anknüpfen, lag nun wohl bei „Inside Out 2“.
Hier kehrt Riley mitsamt ihren Emotionen, Freude, Wut, Trauer, Ekel und Angst zurück. Sie befindet sich nun in der Pubertät und so kommen auch neue Gefühle hinzu: die alteingesessenen Player werden von neuen Gefühlen ersetzt, unter ihnen Zweifel, die davon überzeugt ist, nur Mithilfe der neuen Emotionen könne Riley es schaffen, ein Stipendium für ein Eishockey-College zu erreichen. Und so müssen sich unsere Bekannten Emotionen ihren Weg zurück in Rileys Kopf, oder zumindest in die Kommandozentrale, bahnen.
Ich liebe den ersten „Inside Out“ eben weil er die Emotionen als Charaktere genauso gut balanciert wie als Resonanzen beim Zuschauer. Er schafft es eine individuelle Geschichte voll von universellen Wahrheiten zu erzählen. Und das ist wohl das größte Problem seines Nachfolgers: für einen Film mit und über Emotionen habe ich nichts gefühlt.
„Inside Out 2“ hat natürlich die große Bürde an ein so großartiges Werk anzuknüpfen und findet dabei nur selten wirklich neue Ansätze. Die Story ist „inside“ grundsätzlich die des ersten Teils, nur dass nun alle Emotionen zusammen und nicht nur Freude und Trauer ihren Weg zurückfinden müssen, und „out“ nun noch generischer. Obwohl Riley wohl die Hauptfigur der Reihe ist war sie schon im ersten Teil ein eher begrenzter Charakter. Im Zweiten allerdings driftet ihr Werdegang in eine klischeehafte Version von quasi jedem Teenie-Drama ab, das so emotional wenig effektiv ist. Ironischerweise sind hier die klassischen Emotionen genauso absent wie in Rileys Kopf, stattdessen schlichen sich in meinen Kopf schnell ähnliche Gedanken ein wie in ihren: Zweifel, ob das alles wirklich gelungen an die Ereignisse anknüpfen kann, Neid gegenüber allen Leuten, die gerade stattdessen den ersten Teil genießen und Langeweile von der generischen Story.
Pixar hat schon oft bewiesen, dass sie Sequels können, mit „Inside Out 2“ scheitern sie aber daran einen wirklich neuen, kreativen Ansatz zu finden. Jede „Toy Story“ Fortsetzung beispielsweise verlegt die Handlung in ein neues Setting: anfangs das Kinderzimmer, dann der Spielzeugladen, folgend der Kindergarten und letztendlich die weite Welt. „Inside Out 2“ aber verliert sich in den großartigen Ideen des ersten Teils, die er lediglich wiederkäut. Die neuen Emotionen sind allesamt Spiegebilder der alten Emotionen, selbst die Charakterentwicklung von Freude ist eigentlich dieselbe wie im ersten Teil: sie muss in beiden Filmen lernen, dass Unterdrückung nicht der richtige Weg ist.
Auch das World-Building ist im zweiten Teil deutlich schwächer. Fühlte sich die Welt im ersten Teil tatsächlich so an, als könne sie lediglich von der eigenen Gedankenwelt begrenzt werden, taumeln die Emotionen hier durch die gleichen Kulissen, die sie schon beim ersten Mal besichtigt haben. So erweitert der Film nicht wirklich diese einzigartige Welt, sondern ist im wahrsten Sinne des Wortes kleingeistiger.
„Inside Out 2“ ruht sich einfach viel zu sehr auf den Lorbeeren aus, die der erste Teil erarbeitet hat. Er verlässt sich auf die charmante und witzige Chemie der Emotionen, aber rechtfertigt diese tatsächlich einen weiteren Film? Meiner Meinung nach nicht. Während der erste Teil tatsächlich die schwere Aufgabe meistert, einem gesamten Lebensabschnitt Tribut zu zollen, erzählt „Inside Out 2“ eine unbedeutende, klein skalierte Geschichte, deren Tragik auf einen Teelöffel passt.
Letztendlich lebt die Reihe von der Vorstellungskraft und nachdem der erste Teil einen so wunderschönen Rahmen etabliert hat, brauche ich keinen zweiten Teil, der die Grenzen des Verstandes auf keine Weise herausfordert oder ausdehnt. Pixar bleibt leider dabei ihre alte Formel wieder und wieder zu recyceln. Das mag unterhaltsam sein, hat aber lange nicht den Impact und die Kreativität, die das Studio ausgemacht haben und ausmachen sollten. In meinem Kopf ist das „Gefühl“ der Nostalgie wohl schon vorhanden, denn ich wünsche mir die Zeiten zurück, in denen Pixar tatsächlich noch Neues und Einzigartiges gewagt hat.
Punkte: 5/10