Housekeeping (1987) – das Anderssein in einer Welt der Normalität
Es gibt wenige Filme wie Bill Forsyths „Housekeeping“, dessen geerdeter Stil gleichzeitig seiner Bizarrheit entspringt und dessen Realitätsnähe gleichzeitig in Seltsamkeiten mündet. Während der Film im Kern ein Familiendrama und teilweise eine Coming of Age Geschichte erzählt, in der der Selbstmord ihrer Mutter dazu führt, dass die Geschwister Ruth und Lucille bei ihrer Tante Sylvie aufwachsen, widmet er sich eher universelleren Thematiken.
Sylvie ist nämlich alles andere als „Normal“, zumindest anders als das, was die Gesellschaft als „Normal“ erachtet. Sie ist eine etwas schräge Frau, die völlig andere Vorstellungen von der Welt hat und nicht gerade geläufig mit den gesellschaftlichen Standards ist. Sie wirkt in dieser Welt deplatziert, wie ein Charakter aus einem Wes Anderson Film, der aber in unserer Welt leben muss. Nicht unbedingt, weil sie mit dieser Welt nicht umgehen kann, sondern weil sie mit ihr auf eine andere Weise interagiert, eine Weise die sie gesellschaftlich isoliert.
„Housekeeping“ ist so mehr ein Film über das Anderssein, über das Gefühl in einer anderen Welt zu leben als jeder Andere. Dies kombiniert Forsyth immer wieder mit Humor, als aber auch dem Drama, das aus der Situation der beiden Schwestern entsteht. Diese tonale Bipolarität unterstützt stilistisch die etwas verschobene Weltsicht von Silvie und spiegelt zudem die Unsicherheit, die aus dieser Weltsicht bzw. dem Kontakt mit anderen Menschen entspringt.
Mal wieder merkt man einem Film leider zu sehr die Romanvorlage an, denn der Sinn des Voice-Overs, das in einem Roman natürlich deutlich mehr Sinn ergibt, hat sich mir nicht gänzlich erschlossen. Ich würde verstehen wenn es die innerliche Welt illustrieren würde und so das Thema verstärken würde, allerdings erzählt das Voice-Over rückblickend die Geschichte und trägt so nur selten etwas bei, dem nicht schon visuell Ausdruck verliehen wird. Vielleicht ist auch dies der Grund, warum sich „Housekeeping“ dann doch etwas zieht; das Voice-Over reißt nämlich aus der Welt heraus, die gänzlich der alternativen Erfahrung von Silvie gewidmet sein sollte.
Das Ende des Films kann dafür gänzlich überzeugen, es gibt immer wieder malerische Landschaftsaufnahmen und rührende, sowie lustige Momente. Als Film über das Anderssein und die darausfolgende Isoliertheit funktioniert „Housekeeping“ meist sehr gut, der Geschichte fehlt aber das letzte Etwas, das die Laufzeit in Gänze abrundet. Sei es ein größerer Fokus auf das visuelle Storytelling, anstatt dem unnötigen Voice-Over zu vertrauen oder eine noch emotional resonantere Komponente, wie eine Aufarbeitung des Umgangs mit dem Selbstmord der Mutter.
Punkte: 7/10