Master and Commander (2003) – pures Spektakel
„Dieses Schiff ist England“ sagt Captain Jack Aubrey auf seiner Jagd nach einem französischen Kriegsschiff zu seiner Crew. Es ist ein Statement der Motivation, dass dieses Schiff die gesamte Ehre Großbritanniens repräsentiert. Vermutlich ist Peter Weirs „Master and Commander“ aber so effektiv, weil er das Schiff und seine Besatzung ähnlich behandelt: wie ein eigenes Königreich. Die Fregatte ist eine eigene Gemeinschaft, ein eigenes Ökosystem, dessen Ambivalenz dieser eher simplen Reise Komplexität einhaucht.
Denn wir befinden uns mitten in den Napoleonischen Kriegen und ein französisches Schiff zu stoppen bedeutet gleichzeitig Napoleons Präsenz einzudämmen. Man kann sich durchaus fragen, warum man ein einzelnes Schiff über zwei Ozeane hinaus verfolgt, sinnbildlich ist es aber ein Sieg für ganz England, ein Teil des übermächtigen Diktators geschlagen zu haben. Napoleons skrupellose Herrschaft ist öfters Thema auf der englische Fregatte, man will nicht seiner diktatorischen Denkweise verfallen. Nur, hat man das nicht schon längst getan?
Die Ambivalenz dieser Jagd nach dem Feind lässt sich nämlich in jeder Faser der Crew, in deren Gruppendynamik und System, wiederfinden. Denn was ist das Schiff anderes als eine Diktatur oder vielmehr eine Monarchie? Cpt. Jack Aubrey trifft die Entscheidungen, eine Auflehnung gegen ihn kommt einem Verrat an der Krone selbst gleich. Und Jack ist ebenso ein ambivalenter Charakter: obwohl er ein beliebter Captain ist beginnen seine Ziele immer weiter seine anfängliche Fürsorge für seine Crew zu überschatten. Es ist so das simple Feindbild, dem er hinterherjagt und nicht wahrhaftig einem System, das seinen Richtlinien entgegenstehen würde. Das feindliche Schiff, das von der Crew als Phantom bezeichnet wird, ist mehr wie ein geisterhafter Doppelgänger als wie ein übermächtiger Gegner.
Nur bin ich mir nicht eindeutig sicher, ob sich Weir dieser Ambivalenz tatsächlich bewusst ist bzw. ob er wahrhaftig an ihr interessiert ist. In vielen Momenten verkommt „Master and Commander“ nämlich zur einfachen Hetzjagd im Stile von „Moby Dick“, in der eher gewohnte Charaktereigenschaften und -entwicklungen von den Gezeiten hinfortgespült werden.
Im Grunde versteht Weir das Schiff mehr als geregeltes System, dessen Dynamik aber zu jeder Sekunde spürbar ist. Es gibt nur wenige nervige Expositionsdialoge, den meisten Inhalt schafft es „Master and Commander“ suptil Stück für Stück zu vermitteln.
Auch wenn man den Film so als Popcornkino bezeichnen könnte, gleicht dessen Skalierung ohne Frage einem riesigen Tsunami. Das Schiffset und die Seeschlachten sind zu großen Teilen sichtbar handgemacht und das verleiht dem Film eine gewisse Brachialität, die bei ähnlichen Werken selten erreicht wurde. Mit jedem Kanonenschlag und jedem Unwetter entfesselt das Sound-Design seine naturgewalthafte Potenz und mit jedem Frame kommt man der rauen See einen Schritt näher.
„Master and Commander“ hat geschichtlich eher wenig zu bieten. Es gibt eher mangelhafte Charakterentwicklungen, die diese Zeitperiode nur ansatzweise hinterfragen. Als pures Spektakel gleicht „Master and Commander“ aber einem Meeresstrudel, geschaffen von Poseidon höchstpersönlich: absolut mitreißend.
Punkte: 7/10