Blink Twice (2024) – rot oder blau?
Zoë Kravitz „Blink Twice“ beginnt untypischerweise mit Tik Tok. Frida, eine durchschnittliche Kellnerin, scrollt durch ihre For-You-Page, von Katzenvideos bis Straßenumfragen. Plötzlich erscheint aber etwas auf ihrem Bildschirm, das ihre Aufmerksamkeit erregt: Der Milliardär Slater King entschuldigt sich für seine Fehler, unter anderem für den Missbrauch von Frauen und beteuert sich gebessert zu haben. Frida scheint sichtlich fasziniert von seiner Person und seinem Werdegang und wie es der Zufall will trifft sie Slater später am Abend auf einer Gala. Er zeigt sich charmant und lädt Frida, zusammen mit ihrer Freundin Jess, auf seine private Insel ein. Wer schon einmal einen Film, oder gar den Trailer genau dieses Films, gesehen hat, der wird sicherlich bereits vermuten, was unausweichlich ist: auf dieser perfekten Urlaubsreise wird nicht alles mit rechten Dingen zugehen.
Schon bevor Frida und Jess die luxuriöse Insel betreten deutet sich die Diskrepanz zwischen dem an, was sie glauben zu sehen und dem, was sich darunter verborgen befindet. „Rot oder blau“ fragt Frida Jess und auch wenn diese Wahl auf die Farbe der Kleider bezogen ist, die Frida für das Event mitgebracht hat, erinnert genau dieser unbedeutende Moment an eine der gravierendsten Entscheidungen der Kinogeschichte: an Neos Wahl in „Matrix“. Er hat die Wahl zwischen der blauen Pille oder der roten Pille, die Wahl eine Realität zu akzeptieren, von der er weiß, dass sie nicht real ist oder genau dieser Scheinrealität zu entkommen – wie gravierend die Konsequenzen auch sein mögen. Und essenziell stehen Frida und Jess vor derselben Wahl, auch wenn sie noch nicht wissen, dass sie diese treffen müssen.
Es scheint passend, dass „Blink Twice“ mit Social Media beginnt, weil diese aufgesetzte Scheinwelt dieselbe Oberflächlichkeit beinhaltet, der Frida und Jess begegnen. Man bekommt im Internet stets nur eine Maske zu Gesicht, stets nur den makellosen Instagramfilter, der all die Fehler und Falten überschattet. Und so muss Frida sich fragen: kennt sie Slater überhaupt? Bedeutet es tatsächlich etwas, dass sie sein Abbild projiziert auf ihren Bildschirm gesehen hat?
Vermutlich nicht und so entwickelt sich „Blink Twice“ von einem malerischen Urlaubsaufenthalt weiter und weiter zu einem Horrorszenario, in welchem das Vergessen eine Droge und das Erinnern ein Gift ist.
Für ihren Debütfilm inszeniert Kravitz diese ausufernde Geschichte sehr geschickt und stilsicher. Langsam zieht sie den Figuren den Boden wie Jengablöcke unter den Füßen weg, stets atmosphärisch und mysteriös. Die Insel selbst wird passenderweise konträr von Blau- und Rottönen dominiert, was die fragmentierte Matrix-Realität einmal mehr hervorhebt. Vor allem der Schnitt aber unterstützt diese paranoiahafte Abwärtsspirale immens, denn desto mehr Frida ihre Realität beginnt zu hinterfragen, desto wirrer und desorientierter wechseln auch die Szenenbilder.
Naomie Ackie funktioniert in der Hauptrolle sehr gut, vor allem aber Channing Tatum wirkt wie geschaffen für die Rolle des Slater King, denn er als Schauspieler verkörpert dieselbe Oberflächlichkeit wie seine Figur. Als ein Darsteller, der eher auf nette und charismatische Rollen gemünzt ist, durchbricht er diesen Stereotyp mit seiner Performance äußerst gelungen.
Etwas deplaziert wirken dafür einige Gags, die Kravitz immer wieder einstreut. Sie versucht ähnlich wie Jordan Peele Spannung mit Witz zu verknüpfen, der Humor ist aber zu überzogen und ist teilweise an den falschen stellen gesetzt. „Blink Twice“ liefert zudem einen vielschichtigen Build-Up, dessen Pay-Off allerdings in seiner Simpelhaftigkeit nicht ganz an die aufgebaute Komplexität heranreichen kann. Die vielschichtige Ungewissheit der ersten Hälfte wird etwas zu banal und einfach durchbrochen, vor allem weil die subtile Spannung hier extasehafter Gewalt weicht.
„Blink Twice“ ist ohne Frage ein gelungenes Regiedebüt, dessen Schwächen aber vor allem gegen Ende sichtbar werden. Der Film porträtiert die moderne Welt durchaus auf eine interessante Weise, denn die Sozialen Medien verleihen der Realität eine Maske, die so leicht nicht abgesetzt werden kann. In seinen stärksten Momenten zeigt „Blink Twice“ wie seine Hauptcharaktere fast schon dazu gedrängt werden Spaß zu haben und dem Gruppenzwang dieser Sorglosigkeit zu unterliegen. Das porträtiert die Verleitung und Gefahr dieses modernen, durch das Internet katalysierten, Trends sehr gelungen, in seinen schwächsten Momenten aber unterliegt „Blink Twice“ der Einseitigkeit seiner eigenen Fassade. Blinzle einmal und du wirst es vielleicht verpassen. Blinzle zweimal und alles was du glaubtest zu sehen ist zu dem geworden, was du zuvor verpasst hast.
Punkte: 7/10