Rebel Ridge (2024) – der Thriller, den die Welt gerade braucht
Auch wenn das eher gewohnte Konzept gegenteiliges vermuten lassen könnte: „Rebel Ridge“ ist der Actionfilm/Thriller, den die Welt gerade braucht. Denn obwohl die Grundhandlung eines Ex-Marinesoldaten, der gegen die korrupten Cops einer amerikanischen Kleinstadt vorgeht, nicht gerade das neueste Konzept ist, gibt sich Jeremy Saulnier größte Mühe es dennoch innovativ zu gestalten.
Von Sekunde eins merkt man „Rebel Ridge“ die ganze Wut an, die unter der Oberfläche dieser unterhaltsamen Prämisse lauert. Der Film hält sich mit keiner ausführlichen Exposition auf, sondern startet stattdessen mit einer der spannendsten Sequenzen der gesamten Laufzeit. Wir sehen Terry, ein dunkelhäutiger Mann, der sich später als der angepriesene Ex-Soldat herausstellen soll, auf einem Fahrrad Rockmusik hören. Doch plötzlich fährt ihm ein Auto von hinten in den Reifen. Es ist nicht irgendein Auto, nicht irgendein tollpatschiger Unfall oder gar ein vermeintlicher Überfall – es ist ein Polizeiwagen. Die beiden Cops steigen aus, legen Terry Handschellen an, ausschließlich aus dem Grund, dass er ihr Auto aufgrund der lauten Musik nicht vernahm. In Terrys Rucksack finden sie dreißig Tausend Dollar Bargeld und beschlagnahmen es, unter der vermeintlichen Vermutung es könne sich um Drogengeld handeln.
Terry wird anschließend zwar freigelassen, diese nervenaufreibende Sequenz offenbart aber direkt die Dynamik, die die ganze Handlung vorantreibt. Denn Terry braucht das Geld, um die Kaution seines Cousins zu zahlen. Wie er das Geld aber zurückbekommen soll, ist ihm schleierhaft. An wen wendet man sich schon, wenn die Instanz korrupt ist, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen soll? Daher bleibt Terry nichts anderes übrig, als gegen diese Korruptheit vorzugehen.
„Rebel Ridge“ nimmt so dieses konservative Konzept der Selbstjustiz, das im amerikanischen Kino öfters glorifiziert wird und dreht es in eine moderne, liberale Richtung um. Es ist kein Film, der die Gewalt des Einzelnen zum Selbstzweck idealisiert, sondern der vielmehr das System des Rechts hinterfragt, das genau diese vermeidbar machen sollte. Nur weil jemand auf der richtigen Seite steht, heißt das nicht, dass er auch die Ideale dieser Seite teilt, nur weil jemand ein Wappen des Rechts trägt, heißt das noch lange nicht, dass dieser auch das Recht vertritt. Natürlich ist Polizeigewalt und der Rassismus, der oftmals mit dieser in Verbindung steht, nichts neues, eben weil diese Probleme aber immer noch existieren, erscheint ein Actionfilm mit einer derartig modernen Perspektive passend.
Terry ist ein so erfrischender Actionheld (wenn man ihn als solchen Bezeichnen mag), weil er nicht eine einzige totbringende Schusswaffe abfeuert. Er steht entgegen besagter Glorifizierung der Selbstjustiz und steht stattdessen für eine nötige Veränderung.
Es ist so kein bloßer Film der sinnlosen Gewalt, sondern ein bedachter Thriller, der aus seinen pointierten Actionsequenzen genauso viel Spannung zieht wie aus seinen langen Wortgefechten. Jeremy Saulnier inszeniert die Action sehr übersichtlich und auch sonst ist die Kameraarbeit ungewohnt stilsicher. Eine scorseseesque Kamerafahrt durch ein asiatisches Restaurant zeigt definitiv, dass Saulnier sein Handwerk durchaus versteht.
Ironischerweise sind es genau die Gespräche, die mich in ihrer Inszenierung eher rausgebracht haben. Hier schneidet Saulnier interessanterweise, entgegen der Kampfsequenzen, zu viel. Ein over-the-shoulder Shot folgt auf den nächsten und so wirken die Gespräche nicht nur inszenatorisch einseitig, sondern es wird ihnen zudem ihre ruhige, knisternde Spannung genommen, indem der Schnitt deutlich zu rasant und präsent erscheint.
Grundsätzlich nimmt sich „Rebel Ridge“ viel Zeit, um seine Figuren zwischen den Actionsequenzen atmen zu lassen. Vor allem Summer erhält viele Facetten und Tiefe in der Figurenzeichnung, wohingegen Terry selbst aber etwas wenig Hintergrund verliehen bekommt. Die (indirekte) Beziehung zu seinem Cousin dient als emotionaler Faktor des Films, über Terrys Leben oder Geschichte erfährt man sonst aber nur sehr wenig. So verliert „Rebel Ridge“ etwas an der charakterlichen Vielschichtigkeit, die Aaron Pierres Schauspiel eigentlich zu jeder Sekunde spürbar macht. Er funktioniert wunderbar als Protagonist und kann selbst in emotionalen Momenten absolut überzeugen.
„Rebel Ridge“ ist ein wichtiger Actionfilm, denn er vereint die Klassik einer derartigen Heldengeschichte mit modernen Problemen. Für einen Film, der hierzulande direkt auf Netflix startet, ist es wirklich bemerkenswert wie mutig und unsicher das Ende sich traut zu sein und wie klar der Film in seiner wutentbrannten Kritik ist. Probleme wie Polizeigewalt mögen mittlerweile bekannt sein, in einem Land, das dazu neigt die Welt in klare, klassiche Rollen einzuteilen, ist es aber dennoch relevant diese Missstände aufzuzeigen – vor allem in einem Medium, das zu großen Teilen dazu beiträgt genau diese Rollenbilder zu formen und zu etablieren.
Punkte: 7/10