The 7th Victim (1943) – wenn Genre keine Rolle mehr spielt
Manchmal findet man die poetischsten Momente in den unwahrscheinlichsten Szenarien vor. Es ist jedes Mal wie eine Neuentdeckung des Mediums Film selbst, ein Aufbrechen von dem, was man glaubt gerade zu sehen. Ich bin in „The 7th Victim“ mit der Erwartung eines Horrorfilms/Thrillers hineingegangen, dieses durchaus einzigartige Werk bestätigt aber einmal mehr, dass derartige Genreeinteilungen im Angesicht wahrer Kunst zwecklos sind. Anfangs noch ein gewohnter Thriller, in dem die junge Frau Mary ihre verschollene Schwester ausfindig zu machen versucht und auf einen satanistischen Kult stößt, in den ihre Schwester scheinbar verwickelt ist, entwickelt sich der Film in etwas, das klassisches Genre transzendiert und für etwas gänzlich eigenständiges einsetzt.
„The 7th Victim“ hat durchaus hochspannende Momente, die von fabelhaftem Licht- und Schattenpiel geprägt sind, während sich Mary selbst langsam in die Abgründe der Dunkelheit bewegt, es ist aber erstaunlich wie wenig der Film letztendlich an seinem eigenen Mysterium interessiert ist. Das Verschwinden von Marys Schwester Jacqueline und der satanistische Kult, der in ihr Verschwinden verwickelt ist, mögen die Handlung lostreten und die Bewegung in das Leben bringen, das sonst so einseitig wäre, „The 7th Victim“ breitet aber mehr seine Thematik wie Karten auf dem Tisch des Okkulten aus als sein Mysterium.
Wie Jacqueline verschwunden ist, ist mehr ein beiläufig aufgeklärter, unspektakulärer Akt, es sind aber die Menschen, denen Mary auf ihrem Weg dorthin begegnet, die den Film so sehenswert machen. „The 7th Victim“ ist mehr ein Film über Ideologien – über den Glauben und die Betrachtung der Welt – als über Teufelsanbeter oder gut und böse. Expliziter gesprochen ist Mark Robsons Werk ein Film über den Tod – und das nicht nur weil Mary stetig mit dem Tod ihrer Schwester konfrontiert wird. Der Tod liegt wie ein Nebel über der ganzen Stadt, lauert in den dunkelsten Ecken jedes Hauses, ob als eigens geknüpfter Strick oder als schleichendes, täuschendes Gift.
„The 7th Victim“ ist genau dadurch, dass er sich mit dem Tod auf sehr depressive Weise auseinandersetzt aber auch ein Film über das Leben. Über Poesie, über Gespräche, die von den wunderschönen Klängen von Beethovens „Moonlight Sonata“ unterfüttert werden. Es ist als würde der Film in der Divergenz seiner Gegensätzlichkeiten, zwischen dem Umgang mit dem nahenden Tod und der Präsenz des Lebens, auseinanderbrechen.
„The 7th Victim“ ist kein guter Horrorfilm und nur in Einzelmomenten ein gelungener Thriller. Aber muss er das wirklich sein? Oder ist es mehr die Erwartung, die das überschattet, was den Film so großartig macht? Zugegebenermaßen ziehen sich einzelne Passagen durch die zeitweilige Absenz von Spannung etwas und es gibt vereinzelt Momente, die mehr hinnehmbar die Handlung voranbringen als sie ausgeklügelt auszubauen. Mit was man aber zurückgelassen wird offenbart die Zweischneidigkeit des Lebens auf sehr beeindruckende Weise: Auch wenn wir mit jedem vergangenen Tag dem Tod einen Schritt näher kommen, entfernen wir uns doch keinen Zentimeter vom Leben. Und gleichermaßen: selbst wenn wir dem Leben näher kommen als je zuvor entfernen wir uns doch keinen Zentimeter vom Tod. Es ist eine Entscheidung, eine Adaption einer Sichtweise, die dennoch meist außerhalb der eigenen Entscheidungsfähigkeit liegt und so mehr das offenbart, mit dem wir zurückgelassen werden: dem Glauben.
Punkte: 8/10