Evil Does Not Exist (2023) – Leben und Erleben in der Natur
Während in Ryusuke Hamaguchis vorangegangem Werk „Drive My Car“ die Title-Card erst nach 40 Minuten erscheint, startet „Evil Does Not Exist“ mit genau dieser. Der Titel spielt in seinen Werken generell eine relativ große Rolle und hier scheint er dem Zuschauer von Anfang an klar zu machen, worauf er hinaus will. Bis diese naive Fassade fallen gelassen wird.
„Evil Does Not Exist“ könnte genauso gut heißen: „Goodness Does Not Exist“. Denn der Film geht über eine einfache schwarz/weiß Sicht hinaus, stellt vielmehr seine Charaktere in komplexer Bildsprache und stillen Aufnahmen dar.
Oberflächlich ist der Film dabei eine Geschichte über nahenden Kapitalismus, der die Idylle der selbstgewählten Isolation einer kleinen Gemeinschaft gefährdet. Im Mittelpunkt der Handlung steht Takumi, der mit seiner Tochter in besagter Community, in einem kleinen Waldhaus, lebt. Eine Firma will allerdings ein Luxus-Camping Angebot in dem Wald anbieten, was die Einheimischen vor Probleme stellt. Die reine Quelle würde durch eine Kläranlage verschmutzt werden und der Wildwechsel könnte in jetziger Route nicht mehr stattfinden.
Von Anfang an nimmt „Evil Does Not Exist“ allerdings nicht die uneingeschränkte Perspektive Takumis bzw. der Gemeinschaft ein. Er beginnt mit ruhigen, wunderschönen Aufnahmen der Natur, des Waldes und Takumis Tochter Hana, die diese bewundert. Bis ein Schnitt die zengleiche Ruhe mit dem Lärm von Takumis Kettensäge ersetzt. Und nicht nur hier behält sich die Kamera ihre Neutralität bei, auch im Kontakt mit den beiden Vermittlern der „bösen“ Firma schlägt er sich nicht direkt auf eine Seite. Er kritisiert durchaus die Zerstörung der Natur, die aus dem Projekt folgen würde und welche Konsequenzen dies hätte, vermenschlicht aber dennoch die Gegenseite, die andere Seite der Medaille.
Man könnte „Evil Does Not Exist“ daher mit einer Matrjoschka-Puppe vergleichen: Der Kern mag relativ simpel sein, was den Hauptreiz aber ausmacht ist es, Schicht für Schicht zu ergründen und so das Gesamtwerk wahrhaftig in sich aufzunehmen. Die Kritik des Films ist relativ banal, Ryusuke legt aber immer wieder intelligente Beobachtungen Nahe, die subtil auf zwischenmenschlicher Ebene funktionieren und so nie bloß den „bösen Kapitalismus“ bloßstellen, sondern eher zwei (oder vielleicht auch mehr) Lebensweisen porträtieren, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
„Evil Does Not Exist“ bietet so vielleicht keine revolutionäre oder neuartige Message, aber ein Erlebnis, bei dem man die Charaktere genauso fühlt und atmet wie die Natur, die diese umgibt. Und dieser Aufbau, in dem jedes Geräusch und jede Bewegung eine Bedeutung hat, macht den Film doch zu etwas ganz besonderem.
Punkte: 7/10