The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes (2023) – die Definition von Mittelmaß
Wofür existieren die Hunger Games? Also nicht das Franchise, dessen Existenz und Popularität ich nie verstehen werde, sondern die eigentlichen Spiele, deren Präsenz das Franchise erst ausmachen. Jedes Jahr müssen in besagten Spielen Jugendliche aus jedem der zwölf Distrikte in einer Art Überlebenskampf gegeneinander antreten, wodurch nur der oder die Letzte überlebt. Ein interessantes Konzept, das so oder so ähnlich zuvor schon „Battle Royale“ umsetzte, hier aber eigentlich neue Ansätze zu bieten hat. Es ist die Oberschicht, die diese Spiele veranstaltet, in denen die Unterschicht antreten muss, wodurch sie gleich durch mehrere Aspekte klein gehalten wird. Zum einen wird so ein Feindbild der Distrikte gegeneinander etabliert und vom eigentlichen Feind, den Machthabern, abgelenkt. Zum anderen ist es eine Machtdemonstration von der besagten Oberschicht. Nur bringt der erste Teil der Reihe diese „Kritik“, der die Meta-Ebene deutlich fehlt und die viel zu sehr in simples Popcorn-Kino abdriftet, so plakativ rüber, dass ich kein Interesse hatte auch nur einen weiteren Teil dieser Reihe anzurühren. So war ich nicht sehr von der Ankündigung eines Prequels begeistert, das die Vorgeschichte des skrupellosen Diktators Coriolanus Snow erzählen soll. Ich habe es mir dennoch angesehen, einmal mehr hätte mir aber alles egaler nicht sein können.
„The Ballad of Songbirds and Snakes“ versucht einen ähnlichen Weg wie die Star Wars Prequels zu gehen, indem er Snow zur Identifikationsfigur macht und seinen Wandel hin zum Antagonisten darstellt – zumindest glaube ich, dass dies die Intention war. Denn von Anfang an fehlt der Figur quasi alles, was sie interessant machen könnte. Snows Antrieb bleibt oberflächlich und wird nie vertieft, ihm (bzw. Tom Blyths Performance) fehlt jegliches Charisma und sein Wandel ist derartig unglaubwürdig, dass dagegen Anakins Wandel zu Darth Vader in „Revenge of the Sith“ wirkt als wäre er von Aaron Sorkin geschrieben. Denn so einen richtigen Wandel gibt es eigentlich nicht, schon von Anfang an scheitert „The Ballad of Songbirds and Snakes“ daran, Snow wirklich greifbar zu machen, wodurch sein Wandel nie wie ein Wandel wirkt. Von Beginn an war er mir unsympathisch und das hat sich so nur bestätigt, anstatt das wahre Ziel, einen nahegenden Charakter zu etablieren, der irgendwann in der Dunkelheit verloren geht, zu erreichen.
Was mir im Vergleich zum originalen „The Hunger Games“ besser gefällt ist die Ambivalenz der Charaktere, die sich in Snow schon früh andeutet und bei allen Teilnehmern der Hunger-Games zu spüren ist. Selbst die unschuldigste Figur des Films, Lucy Gray, die von Snow betreut wird, will schlicht diese Tortur überleben, was sie definitiv vermenschlicht. Auch die Meta-Ebene spürt man hier deutlicher, denn die Frage warum solche Spiele veranstaltet werden, kann man hier deutlicher auf den Zuschauer selbst übertragen. Das fehlte „The Hunger Games“ komplett und dieser Ansatz tut dem Film gut, hätte aber deutlich besser ausgearbeitet sein müssen. Denn anhand von Snow wäre es die Gelegenheit gewesen, die Frage nach der eigenen Investiertheit zu stellen. Inwieweit es unmoralisch ist, eine Person in einem so diablolischen Spiel anzufeuern und mitzufiebern, nur weil wir sie als moralischer einstufen. Das erreicht „The Ballad of Songbirds and Snakes“ leider nie, mal wieder ist das einfache Popcorn-Kino wichtiger. Grundsätzlich habe ich nichts gegen einfache Unterhaltung, in einem derartig überzogenen Setting aber eine so ernste Geschichte ohne tiefgreifende Thematik zu erzählen grenzte schon seit dem ersten Teil an Wahnsinn.
Vor allem was der Film mit Lucy Gray vorhatte erschloss sich mir nie, sie wirkt nämlich in allen Belangen einfach nur deplaziert. Sie gleicht in ihrem Auftreten und ihrer Aufmache eher einer Disneyprinzessin, für die Unmoral trotz hungersnöten und ähnlichem ein Fremdwort ist und die sogar in mehreren Passagen anfängt zu singen (!). Natürlich verliebt sich Snow in sie und natürlich sitzen die Haare beider selbst im Überlebenskampf perfekt.
„The Ballad of Songbrids and Snakes“ mag Fans der Reihe zufriedenstellen, mich aber definitiv nicht. Ich kann hier einfach nichts finden, was mich so wirklich in diese Geschichte investiert, denn die Action ist eher mittelmäßig inszeniert und die Charaktere schwanken von uninteressant bis absolut überzogen, während die Handlung tonal mehr einem Holocaust-Drama gleicht. Das passt einfach nicht zusammen und findet im Ende auch keinen Abschluss, der mir irgendeinen Mehrwert für Snows Charakter bieten könnte.
Punkte: 5/10