The Talented Mr. Ripley (1999) – die Suche nach Identität in einer Welt der Oberflächlichkeit
„The Talented Mr. Ripley“ ist ein Film über Performances. Der titelgebende Tom Ripley lebt durch das Schauspiel und das Schauspiel ist sein Leben. Der größte Unterschied von Ripley zu einem klassischen Akteur ist, dass die Menschen, die ihm dabei zuschauen nicht ahnen, dass er bloß eine, oder gar mehrere, Rollen spielt.
Schon von Beginn an gibt er sich als jemand aus, der er eigentlich überhaupt nicht ist: er tritt als Student einer Eliteuniversität auf und nur so bekommt er den Auftrag, der fortan ihn und die Handlung des Films prägt. Für 1000 Dollar soll er den Sohn des reichen Schiffbauers Mr. Greenleaf dazu bewegen, aus Italien zurück in die USA zu kommen – nur aber, weil Mr. Greenleaf denkt, Ripley kenne seinen Sohn von der Uni. Und so macht sich Tom auf den Weg, einen Bekannten Unbekannten zu finden und sich selbst zu dem Freund zu machen, für den sein Vater ihn schon jetzt hält.
Noch mehr als ein Film über Performances, was thematisch schon insofern gerechtfertigt wird, dass jeder beteiligte Schauspieler, von Matt Damon zu Jude Law, Cate Blanchett, Gwyneth Paltrow bis Philip Seymour Hoffman, eine der besten Leistungen ihrer Karriere abliefert, ist „The Talented Mr. Ripley“ ein Film über Identität, bzw. der Suche nach Identität.
Das Spannungsfeld zwischen Tom und Dickie, Greenleafs Sohn, den er immer besser kennenlernt, offenbart die Tragweite von dieser toxischen Suche, die beide auf ähnliche Weise formt – es ist nur der Umgang mit dieser Suche, der sie fundamental unterscheidet.
Wo Tom herkommt wissen wir nicht, was wir aber wissen ist, dass er nicht reich ist – und viel wichtiger: es wird immer deutlicher, dass er es gerne wäre. Je mehr er die Maske eines Anderen annimmt und die Frage deutlicher wird, ob sich überhaupt etwas beständiges unter dieser befindet, desto deutlicher wird, dass er eigentlich gerne Dickie wäre – zumindest in einer seiner vielen Facetten. Genauso deutlich scheint es zu werden, dass er sich in Dickies Freundin Marge verliebt und ebenso deutlich scheint zu werden, dass er sich in Dickie selbst verliebt.
Tom versucht so sehr in diese Welt zu passen, dass er letztendlich jegliche Identität verliert, nach der er im Kern den ganzen Film sucht: seine sexuelle Identität bleibt für ihn als auch den Zuschauer so unklar wie die Frage, ob er überhaupt eine Identität hat. Und sein Gegenteil ist, auf viele unterschiedliche Weisen, Dickie: er versucht nämlich um jeden Preis aus dieser Welt zu entfliehen. Während Tom gerne an Dickies Stelle wäre, würde er am liebsten jegliche Verbindung zu seinem reichen Vater vergessen. Und das verarbeitet er, indem er auf dieselbe Weise zwischen Identitäten springt wie Tom – nur dass er es sich leisten kann dies unter ein und derselben Facette zu tun.
Seine Sprunghaftigkeit spiegelt grundsätzlich den gleichen Konflikt der Identität, die gleiche Suche nach dem, was man sein will und in dieser Welt sein kann. Was „The Talented Mr. Ripley“ im Kern so großartig macht ist die Kluft zu offenbaren, die aus all der Oberflächlichkeit und dem Drang jemand anderes sein zu wollen entsteht, wie eine Haut, die so lange strapaziert wird, bis sie diesem Druck nicht mehr standhalten kann und schließlich aufreißt.
„The Talented Mr. Ripley“ beginnt wie ein konstruiertes und etwas kitschiges Crime-Drama, entwickelt sich aber weiter und weiter zu einem Thriller. Gleichzeitig besitzt der Film aber auch romantische Untertöne – es ist als würde der Film tonal dieselbe identitäre Unsicherheit beinhalten wie seine Charaktere und das ist vermutlich auch der Grund, warum dieser doch sehr gewagte Mix so großartig funktioniert.
Die einzige Komponente, die dieser Unklarheit Halt verleiht, ist die stilsichere Inszenierung. Egal durch welche Facetten man charakterlich auch blicken mag, so ist die Kameraarbeit so prägnant und klar wie Eis. Sie spiegelt mehr Toms soziopathische emotionale Kälte, als seine aufbrausende Unsicherheit und das bringt die nötige Balance in dieses ausschweifende Konzept. Teilweise sehr symbolisch spielt „The Talented Mr. Ripley“ mit visuellen Elementen, mit Licht und Schatten und selbst mit den Bewegungen der Kamera, die nur an den Punkten aus ihrer kalkulierten Rolle fällt, an denen Tom es ebenso tut.
„The Talented Mr. Ripley“ stellt wohl den Höhepunkt von Matt Damons Karriere dar, denn keine andere seiner großen Rollen ist so nuanciert und künstlerisch. Der Film braucht etwas diese Oberflächlichkeit zu durchbrechen und entfaltet so erst nach einiger Zeit seine potente Unsicherheit, erreicht aber in seinen besten Momenten eine ähnliche Kraft wie Robert Altmans „3 Women“.
Punkte: 8/10