His Girl Friday (1940) – ein Klassiker mit verschenktem Potential
„His Girl Friday“ ist ohne Frage einer der anstrengendsten Filme, die ich in der letzten Zeit gesehen habe. Nicht weil er besonders komplex wäre, die Handlung gleicht einer gewöhnlichen Screwball-Komödie. Auch nicht aus dem Grund, dass der Film besonders schlecht wäre, irgendwo her muss er ja seinen Status als monumentaler Klassiker inne haben. Nein, es liegt mehr an der Geschwindigkeit in der die Charaktere sich Dialoge um die Ohren feuern, schneller als Geschosse eines Maschinengewehrs.
Ich verstehe den Reiz des Films und ich verstehe auch, warum Hawks die Dialoge derartig in Szene setzt. Gepaart damit, dass sich die Figuren teilweise ins Wort fallen, ist die Intension des hohen Tempos einen naturalististischen Charakter in die Gespräche zu bringen. Zudem charakterisiert die überhetzte Art die Figuren als auch deren Milleau: Die Presse.
„His Girl Friday“ wirft wieder und wieder einen zynischen Blick auf die Pressewelt, auf den Drang Schlagzeilen zu kreieren, selbst auf Kosten von Moral oder Menschenleben. Bezogen auf Hildy Johnson bekommt das hohe Gesprächstempo aber noch eine weitere Dimension: sie ist nämlich eigentlich schon aus der Presse ausgestiegen, ist kurz davor zu heiraten und will nur noch diese eine Story fertigstellen, bevor sie nachmittags mit ihrem Verlobten den Zug aufs Land nimmt. So versucht sie so schnell wie möglich dieses Kapitel ihres Lebens abzuschließen. Aber wie könnte es anders sein, sie schafft es nicht wirklich sich aus dieser Welt loszureißen, wahrscheinlich weil sie es gar nicht anders will. Wer dies aber ohne jede Frage nicht will ist ihr ehemaliger Mann und Arbeitgeber Walter, der sie, sowohl privat als auch bezogen auf ihren Job, dazu bewegen will zu bleiben.
Ich verstehe warum die Dialoge verlaufen wie sie verlaufen, dennoch funktioniert dies für mich meistens nicht. Das Tempo ist so hoch, dass genau das Gegenteil von dem eintritt, was Hawks damit eigentlich erreichen will: sie wirken äußerst gekünstelt. Die Figuren verhalten sich mehr wie bei einem Double-Time Kontest, bei dem das einzige Ziel es ist, seinen Gegenüber irgendwie nochmal mit einer noch höheren Geschwindigkeit zu überbieten. Man merkt dem Cast teilweise an, dass sie gar nicht wirklich zuhören, sondern einfach nur darauf fokussiert sind, am richtigen Punkt einzusteigen und dieses enorme Tempo zu halten, was den Gesprächen eben jenen Realismus nimmt, den Hawks eigentlich erreichen will.
Das ist wirklich schade, denn fokussiert man sich ausschließlich auf das Writing, so lassen sich in „His Girl Friday“ einige der besten und lustigsten Dialoge der Filmgeschichte wiederfinden. Es ist nahezu unmöglich zu zählen, wie viele Gags hier pro Minute gemacht werden. Wäre die Delivery nur so gut wie das Konzept, so würde ich den Status des Films als essentiellen Klassiker verstehen können.
„His Girl Friday“ hat mich, bezogen auf meine hohen Erwartungen, leider enttäuscht. Er ist großartig geschrieben, verliert aber durch das überhetzte Tempo den Unterhaltungsfaktor, der den Film eigentlich auszeichnen sollte. Denn die Pressekritik ist aus heutiger Sicht einfach zu simpel, selbst wenn sie durch die Charaktere interessant illustriert wird.
Punkte: 7/10