Horizon: An American Saga – Chapter 1 (2024) – ein dreistündiger Build-Up
Wenn es einen modernen Regisseur gibt, der den Western liebt und atmet, dann ist es wohl Kevin Costner. So sehr sogar, dass er sein neues, vierteiliges Projekt „Horizon: An American Saga“ zu großen Teilen selbst finanzierte. Costner fasziniert diese leere Prärie voller Geschichten und die Wurzeln dieser Zivilisation, die eng mit der Unzivilisiertheit eines gesamten Volkes zusammenhängt. Und dass Costner sein neues Projekt und seine neuen Charaktere so sehr am Herzen liegen wie das Genre als solches spürt man zu jeder Sekunde – vielleicht sogar etwas zu sehr.
„Horizon – Chapter 1“ hat die große Bürde, all das zu etablieren, was Costner mit seinen drei folgenden Teilen ausbauen will – und das ist eine Menge. Der Film folgt nicht nur einem Handlungsstrang, sondern gleich mehreren, die nicht einmal alle von Beginn an verfolgt werden. Alle Handlungsstränge umkreisen aber einer Kernidee, wie Planeten um die Sonne kreisen: die titelgebende Stadt Horizon. Eine Stadt, die alle Charaktere im Blick haben ohne sie je zu sehen, der wir nur durch Flugblätter und Erzählungen begegnen, die mehr einem hoffnungsvollen Mythos als einer befreienden Realität gleicht. Und genauso präsent ist der brodelnde Konflikt, den Costner langsam etabliert. Zwar ein Konflikt zwischen Indianern und Einsiedlern, allerdings ist es jeweils nur eine kleine Gruppe beider Parteien, die zur Gewalt greift und letztendlich zu einer gesamten Eskalation beiträgt, in der es eben nicht nur zwei-, sondern dutzende verschiedene Seiten und Perspektiven gibt.
Was Costner so grundsätzlich aufbaut ist interessant, das große Problem ist aber, dass man nur das zu Gesicht bekommt: einen dreistündigen Aufbau. Eine unendlich lange Exposition, die Figuren im Minutentakt etabliert. Costner springt wirr zwischen seinen unterschiedlichen Szenarien hin und her, ohne je seinen geschichtlichen Fokus zu finden oder seine Story geeignet zu strukturieren. „Horizon“ ist zu viel und von dem vielen zu wenig – denn er schafft es nicht eine Figur wirklich nuanciert und nahegehend zu zeichnen, weil er eben so vieles auf einmal versucht. Nicht nur seine Charaktere gehen in diesem geschichtlichen Chaos unter, sondern auch jegliches Gefühl für die vergangene Zeit oder für ein geeignetes Pacing. Wenn wir sehen wie Frances, eine Frau mit zwei Kindern, die in einer Einsiedlerstadt lebt, aufgrund eines Indianerangriffs ihren Mann verliert, sie sich aber nach gefühlten vier Szenen ihres Handlungsstrangs in einen neuen Mann verliebt, bekommt man kaum ein Gefühl für den Prozess, der sie an diesen Punkt gebracht hat. Es fühlt sich wie gestern an als sie ihren Mann verlor, obwohl scheinbar mehrere Monate vergangen sind – und das lässt diese und andere „Entwicklungen“ viel zu kurz kommen.
Wie Costner die weite, wunderschöne Landschaft des Westens einfängt, wie er pointierte Action Set-Pieces strukturiert und wie er seine Figuren teilweise in Szene setzt, zeugt von seiner Erfahrung und seinem Talent als Regisseur, es macht aber mehr Hoffnung auf den nächsten Teil, als dass diese Pluspunkte die fehlenden Elemente ersetzen könnten, die den Film so langatmig machen.
„Horizon“ vergisst im Getümmel all seiner Vorbereitungen auf Costners große Saga selbst ein Film zu sein und selbst einen Spannungsbogen aufzubauen. Es ist sinnig, dass die Bedeutung dieses Films erst wahrhaftig bemessen werden kann, wenn seine Fotsetzungen erscheinen, das wird den Film selbst aber nicht besser machen. Denn warum ist der erste Teil von „Lord of the Rings“ so beliebt? Warum fasziniert die Handlung von „Dune“, obwohl sie lediglich auf den zweiten Teil hinarbeitet? Weil beide Filme trotz ihrer weitreichenden Exposition nicht vergessen, eine eigene, kleine Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer eben nicht nur mit dem Wunsch entlässt, nun den nächsten Teil sehen zu wollen, sondern auch mit der Faszination dessen, was man gerade gesehen hat – und das fehlt bei Costners Werk nahezu vollständig.
Mit „Horizon – Chapter 1“ blickt Costner in den Horizont, auf das, was er irgendwann später erzählen will, vergisst aber auf das zu schauen, was er gerade jetzt erzählt. Er baut drei Stunden lang das Zukünftige auf, erreicht dabei aber im hier und jetzt nur sehr wenig. Ich freue mich auf den zweiten Teil, vor allem nach den kurzen Eindrücken, die man am Ende des ersten Teils zu Gesicht bekommt. Alles was aber bleibt, dem Zuschauer und den Figuren, ist eine Hoffnung in den weiten des Horizonts, dass die Zukunft mehr bereithält – denn „Horizon – Chapter 1“ ist eher ernüchternd.
Punkte: 5/10